Aus der Praxis

HR Expert-Talk:
Personalmanagement in Krisenzeiten

Unser HR-Expert-Talk bot den Rahmen für einen interaktiven Vormittag voller wertvoller Einblicke, praxisnaher Beispiele und konkreter Lösungsansätze. Gabriele Forgues, Geschäftsführerin ecoplus International, betonte die Bedeutung dieses Formats: “Ich freue mich, dass wir einen offenen Austausch ermöglicht und drei ausgewiesene ExpertInnen für dieses Thema gewonnen haben. Sie lieferten wertvolle Einblicke und praxisnahe Lösungen für niederösterreichische Unternehmen.”

Trennung oder doch Personal halten bzw. aufstocken? Unsere Blitzumfrage gleich zu Beginn unter den TeilnehmerInnen ergab: Rund ein Viertel plant Personal aufzustocken – besonders in den Bereichen Produktion, Vertrieb & Marketing. Dennoch: Trennungen sind in vielen Bereichen unvermeidlich. Doch wie können Kündigungen professionell, rechtssicher und menschlich gestaltet werden? Welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es für Unternehmen und Mitarbeitende? Unsere ExpertInnen Sandra Kern, Landesgeschäftsführerin AMS Niederösterreich, RA Gottfried Schmutzer, Founding Partner Schmutzer & Ott-Sander Rechtsanwälte und Spezialist im Arbeits- und Wirtschaftsrecht sowie Hans Garstenauer, HR-Experte gaben wertvolle Antworten auf diese Fragen.

Demografische & digitale Herausforderungen am Arbeitsmarkt

Sandra Kern gab einen umfassenden Überblick über aktuelle Daten, Trends und Entwicklungen auf dem (nieder-)österreichischen Arbeitsmarkt. Gleich zu Beginn wies sie auf eine zentrale Herausforderung hin: In Niederösterreich gibt es derzeit rund 13.000 offene Stellen, denen Arbeitssuchende gegenüberstehen, die oft nicht mobil, keine Ausbildung oder andere Vermittlungshemmnisse haben, um diese Chance zu nutzen.
Besonders im Fokus stehen der Arbeits- und Fachkräftemangel, der demografische Wandel – insbesondere die bevorstehende Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation – sowie die fortschreitende Digitalisierung. Viele Berufe erfordern zunehmend digitale Kompetenzen, mit denen ArbeitnehmerInnen häufig (noch) nicht Schritt halten können.

Das AMS setzt gezielt auf Qualifizierungsmaßnahmen und unterstützt mit einer Vielzahl an Programmen und Förderungen. Ein Beispiel ist die arbeitsplatznahe Qualifizierung (AQUA): Während der Ausbildungsbetrieb die Qualifizierungskosten übernimmt, etwa im Zuge innerbetrieblicher Veränderungen oder notwendiger Umschulungen, sorgt das AMS für die Existenzsicherung.

Unterstützung für Unternehmen

Auch für Unternehmen bietet das AMS ein breites Spektrum an Unterstützungsmöglichkeiten. Dazu zählen Personalrekrutierung, Förderungen für die Weiterbildung gering qualifizierter und älterer Arbeitskräfte sowie Impulsberatungen zur Entwicklung maßgeschneiderter Lösungen.

Menschlichkeit und Wirtschaftlichkeit – ein Balanceakt

„Menschlich muss es passen, alles andere kann gelernt werden“, fasst Sandra Kern die Rückmeldung der Unternehmen zusammen, die Personal einstellen. Und trotz der „menschlichen Komponente“, die bei mangelnder beruflicher Qualifikation oft im Vordergrund steht, sind ältere Arbeitssuchende oft schwieriger zu vermitteln. 

Arbeitsrechtliche Stolpersteine vermeiden

Und zu kündigen. Denn bei Kündigungen ab dem 50. Lebensjahr prüfen die Gerichte häufig die Sozialwidrigkeit einer Kündigung, d.h. ob sie wegen der erschwerten Wiedereingliederung unzumutbar ist. Und dann sind Nuancen im Arbeitsvertrag und später in der Kündigungserklärung entscheidend.

Arbeitsrechtsexperte RA Gottfried Schmutzer weiß, worauf es ankommt und zeigte praxisnah typische Fallstricke im Dienstvertrag bzw. deren Folgen vor Gericht.

Dienstverträge

  • Dienstverträge regelmäßig prüfen: Verträge müssen auf dem aktuellen rechtlichen Stand gehalten werden. Besonders heikel: Bei internationalen Konzernen werden oft deutsche Arbeitsverträge übernommen. Wichtig: Anpassung ausländischer Verträge an österreichisches Recht beachten.
  • Auf Fristen achten: Probemonat bzw. nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit greift der gesetzliche Kündigungsschutz.
  • Verzicht auf verlängerte Kündigungsfristen: Sie schaden – im Regelfall – finanziell dem Unternehmen, statt der Nachfolgeregelung tatsächlich zu dienen.

Fehlerdokumentation

  • Fehler dokumentieren: Aus arbeitsrechtlicher Sicht essenziell für eine bessere Absicherung.

Kündigung

  • Die Kündigung wird erst wirksam, wenn sie zugegangen ist.
  • Kündigung am besten schriftlich und persönlich übergeben.
  • Kündigung weder mündlich noch schriftlich begründen, sie ist dann vor Gericht schwerer angreifbar.
  • Kündigungen sind auch im Krankenstand möglich, dazu bedarf es einer negativen Zukunftsprognose, also einer ärztlichen Einschätzung, dass in absehbarer Zeit nicht mit der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist.
  • Der Betriebsrat, sofern im Unternehmen vorhanden, muss vor der Kündigung informiert werden. Der Betriebsrat hat dann eine Frist von 1 Woche, um zur Kündigung Stellung zu nehmen bzw. der Kündigung zu widersprechen.
  • Änderungskündigungen dokumentieren:  Dabei wird gekündigt, aber gleichzeitig eine Weiterbeschäftigung zu neuen Bedingungen angeboten. Eine klare Dokumentation beugt Anfechtungen und Missverständnissen vor. Sie sollte Kündigung, Änderungsangebot, Begründung und Annahmefrist enthalten.
  • Einvernehmliche Lösungen bevorzugen: Sie reduzieren rechtliche Risiken und stärken das Arbeitgeberimage. Außer: Abfertigung ALT können für das Unternehmen teuer werden.

Die Kunst der „einvernehmlichen Auflösung“ & Macht der Weiterbildung

„Jede Kündigung ist ein Projekt“, sagt Hans Garstenauer. Der Personalexperte weiß, wovon er spricht: Seit mehr als 15 Jahren begleitet er Unternehmen bei der Personal-Restrukturierung, hat den Personal-Rundown-Prozess bei den Volksbanken federführend begleitet – und sich am Ende in der „immigon“ selbst „abgebaut“. Sein Ziel ist stets die rechtssichere, „einvernehmliche Trennung“. Die frühzeitige Identifikation und „Einbindung“ (im wahrsten Sinne des Wortes) der Keyplayer ist entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg nach der Maßnahme. Bei jeder Restrukturierung ist es entscheidend, in allen Phasen die richtigen Stakeholder einzubinden – sowohl extern, wie AMS-BeraterInnen, als auch intern, wie AbteilungsleiterInnen, Betriebsrat und vor allem die verbleibenden MitarbeiterInnen.

Diese „Survivor“ benötigen gezielte Maßnahmen, um den Vertrauens- und Loyalitätsverlust, der zwar nicht ausgesprochen wird, aber fast immer mit Trennungsmaßnahmen einher geht, wieder auszugleichen. Gezielte Ausbildungsmaßnahmen (und nicht das Einschränken des Bildungsbudgets) sowie die Stärkung des neuen Teamgeistes sind nötig, um die Ziele der Maßnahmen zu erreichen. Gute Führungskräfte wachsen gerade in solchen Situationen über sich hinaus.

Fingerspitzengefühl, Struktur und gutes Timing sind daher unerlässlich: Wann und wie Informationen kommuniziert werden, muss klar und transparent sein. Schlechte Nachrichten sollten nicht unnötig hinausgezögert, sondern Sorgen und Ängste offen angesprochen werden – um Unsicherheiten abzubauen und das Vertrauen in das Unternehmen zu erhalten. Das hilft, die hohen Produktivitätsverluste und „versteckten Kosten“ (ausgelöst durch Unsicherheit, gesundheitlichen Problemen und vor allem die Gerüchteküche und den Flurfunk) von bis zu 30 % in den Phasen der Restrukturierung zu minimieren.

Danke sagen statt “Hire & fire”

„Sie kündigen den Dienstvertrag, nicht den Menschen“, betont Hans Garstenauer. Er unterstreicht die Bedeutung ehrlicher und transparenter Kommunikation auf Augenhöhe. Entscheidend sei, den Betroffenen das Gefühl zu vermitteln, dass die Trennung das „letzte wirtschaftliche Mittel“ ist. Nur so könne – trotz schwieriger Umstände – soziale Akzeptanz bei den Gekündigten und Verständnis in seinem Umfeld geschaffen werden. Unfaires Vorgehen (z. B. unklare oder unsoziale Kriterien bei der Auswahl der Betroffenen) kann den Ruf des Arbeitgebers gefährden und die Investitionen in Employer Branding vernichten.
Doch Trennungsmanagement endet nicht mit dem letzten Arbeitstag. Exit-Gespräche sind ein wichtiger Bestandteil, um wertschätzend auseinanderzugehen und die Möglichkeit offenzuhalten, in Kontakt zu bleiben. Bumerang-Mitarbeiter, also ehemalige Angestellte, die später wieder ins Unternehmen zurückkehren, können ein echter Erfolgsfaktor sein.

Gabriele Forgues, Geschäftsführerin von ecoplus International, moderiert den Vormittag und informiert über die Dienstleistungen des ecoplus HR-, Expat- & Relocation-Services.
Sandra Kern, Landesgeschäftsführerin des AMS Niederösterreich, informiert über die vielfältigen Qualifizierungsangebote und maßgeschneiderten Programme für ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen.
Arbeitsrechtsexperte RA Mag. Gottfried Schmutzer LLM, zeigt mögliche rechtliche Stolpersteine im Krisenmanagement auf und gibt Tipps für einen rechtssicheren Prozess ohne arbeitsrechtliche Risiken
HR-Experte Hans Garstenauer über professionelles Trennungsmanagement

Fazit
Ein professionelles Trennungsmanagement ist kein kurzfristiger Prozess, sondern eine strategische Herausforderung, die Fingerspitzengefühl, rechtliche Absicherung und klare Kommunikation erfordert. Neben den rechtlichen Aspekten spielen Menschlichkeit und Wertschätzung eine entscheidende Rolle, um sowohl die Betroffenen als auch die verbleibenden Mitarbeitenden mitzunehmen. Unternehmen, die auf transparente und faire Trennungsprozesse setzen, profitieren langfristig von einem besseren Image, höherer Loyalität und einer nachhaltig erfolgreichen Personalarbeit.

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